Ausstellung des Deutschen Reiches auf der Weltausstellung Chicago 1893, nachträglich koloriert von Bahnhofstürme Halle e. V.
Halle, September 2023 | von BM

Weltausstellung Chicago 1893 und Bruno Möhring

In mehreren Publikationen zum Bahnhof Halle wird ein Modell des Bahnhofs Halle auf der Weltausstellung 1893 in Chicago erwähnt. Nur ein vages Gerücht oder gibt es hierzu nähere Infos?

Die Columbische Weltausstellung in Chicago ist heute nahezu vergessen. 400 Jahre nach der Entdeckung Amerikas 1492 wollte Chicago endgültig das Image des Schlachthofs der USA ablegen und sich als Technik-, Handels- und Kulturmetropole von Weltrang präsentieren. Das ehrgeizige  Ausstellungskonzept bedingte umfangreiche Baumaßnahmen zur Umgestaltung eines Sumpfgeländes am Michigansee in eine Gartenlandschaft mit Kanälen, großen Wasserbassins, über 200 teils anspruchsvollen Ausstellungsgebäuden und schienengebundener Verkehrserschließung – sowie eine einjährige Terminverschiebung. Chicago 1893 übertraf dann locker alles bisher dagewesene. Nachfolgend einige Zahlen: 278 ha Ausstellungsfläche, davon 81 ha überdacht, 70.000 Aussteller aus 46 Ländern, 27,3 Millionen Besucher. Der zur Weltausstellung 1889 in Paris errichtete Eiffelturm sollte durch ein Riesenrad getoppt werden. Das von dem amerikanischen Ingenieur George Ferris entworfene und gebaute Riesenrad mit 80,4 m Höhe und 36 Gondeln für je 60 Personen nutzten 1,5 Millionen Passagiere und erwies sich tatsächlich als die Hauptattraktion.  „Ferris Wheel“, das erste moderne Riesenrad, löste einen weltweiten Bauboom transportabler und stationärer Riesenräder aus.

Das kaiserliche Deutschland war in Chicago dank staatlicher Förderung mit Tausenden Ausstellern vertreten. Hinsichtlich des Bahnhofs Halle sind die Sammelausstellungen der Königlich preußischen Staatseisenbahn-Verwaltung im Transportgebäude und des Königlich preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten im Kunstgebäude von Interesse. Beamte des Ministeriums hatten die Entwurfszeichnungen des neuen Empfangsgebäudes des Bahnhofs Halle erstellt bzw. genehmigt und die Bauausführung begleitet. Auf der Berliner Kunstausstellung 1892 präsentierte das Ministerium in der Abteilung Baukunst zeichnerische Darstellungen des neuen Empfangsgebäudes von Halle. Gemäß Bild 1 übertrug das Ministerium dem Architekten Bruno Möhring die Erstellung von 9 Schaubildern für die Weltausstellung. Entgegen der Ankündigung im 1893 erschienenen Amtlichen Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches wurden im Kunstgebäude von Chicago dann zwar Darstellungen vieler öffentlicher Gebäude, aber keine von Eisenbahn-Empfangsgebäuden gezeigt.

Bild 1 - Auszug aus der Deutschen Bauzeitung vom 18.01.1893

Die Bilder 2, 3 und 4 sind dem Amtlichen Bericht von 1894 über die Ausstellung des Deutschen Reiches in Chicago entnommen. Demnach waren ein Modell und Schaubilder des neuen Bahnhofs Halle innerhalb der Sammelausstellung der preußischen Staatseisenbahn zu sehen. Der Verbleib des Modells und der Schaubilder nach Ausstellungsende ist nicht bekannt. Viele Aussteller scheuten den hohen Aufwand für Verpackung, Zoll, Versicherung und Rücktransport der ausgestellten Objekte und veräußerten sie vor Ort.

Bild 2 - Titelblatt Band I des Amtlichen Berichts von 1894
Bild 3 - Seite 541 des Amtlichen Berichtes von 1894
Bild 4 - Seite 542 des Amtlichen Berichtes von 1894

Der Architekt Bruno Möhring (1863 – 1929) war ab etwa 1889 am Neubau des Empfangsgebäudes des Bahnhofs Halle beteiligt. Im Adressbuch Halle 1890 findet man Möhring als Mitarbeiter im Technischen Büro für den Bahnhofsumbau (siehe Bild 3 im Beitrag zu Friedrich Peltz). In dem 1893 in der Zeitschrift für Bauwesen erschienenen umfangreichen Bericht über den Umbau des Bahnhofs Halle wird Möhring zweimal erwähnt. Bild 5 zeigt einen gut erhaltenen Druck mit der Vorderansicht des Empfangsgebäudes - mit der Unterschrift von Peltz vom 25. Januar 1892 - die Mitwirkung von Möhring ist naheliegend. In der Berliner Druckerei Hacker & Godenschweger entstanden nach der Fertigstellung des neuen Bahnhofsgebäudes vermutlich zahlreiche großformatige Lithografien. Etliche der robusten und langlebigen Kartons haben bis heute überdauert. Von der Vorderansicht, der repräsentativen Hauptfront des Empfangsgebäudes, existieren noch mehrere Exemplare, siehe Bild 6 mit einer anderen Beschriftung.

Bild 5 - Foto Horst Winger von Druck mit Vorderansicht EG Halle, 25.01.1892
Bild 6 - Bestandsplan Station&Service mit Vorderansicht EG Halle

Spätestens 1893 eröffnete Möhring in Berlin (Königgrätzer Straße 103) ein Atelier für Architektur und Kunstgewerbe. Fortan gestaltete er unter seinem Namen Innendekorationen, Häuser, Ingenieur- und Industriebauten (1897 bis 1899 Rheinbrücke Bonn und Moselbrücke Traben-Trarbach). Innerhalb weniger Jahre wurde Bruno Möhring einer der bekanntesten Architekten Deutschlands und gilt heute als wichtiger Repräsentant des Jugendstils. Internationales Renommee erlangte er durch Ausstellungsbeteiligungen in Paris 1900, Turin 1902, St. Louis 1904 und Buenos Aires 1910. Möhring war Autor und Herausgeber von mehreren Zeitschriften und widmete sich auch städtebaulichen Themen. 1907 wurde Möhring zum Professor ernannt und ab 1919 war er Mitglied der Preußischen Akademie des Bauwesens.  

Gemäß Bild 7 hatte Bruno Möhring neben dem beruflichen auch einen starken privaten Bezug zu Halle. Am 30.03.1895 heiratete er in Halle Anna Burghardt.

Bild 7 - Auszug aus Saalezeitung vom 01.04.1895

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